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Experimentierfelder Festivals – Theaterformen im öffentlichen Raum neu denken

Die Krise zwingt Veranstalter*innen wie Künstler*innen in eine ungewohnte Position: Die über Jahre erprobten Festival- und Kultursommerkonzepte sind in ihrer bisherigen Form unmöglich geworden. Die Verordnungen der Länder darf man aber nicht nur als Verbote verstehen. Sie zeigen auch Spielräume auf. Um diese zu nutzen, braucht es innovative Konzepte. Bei allen Schwierigkeiten: Die derzeitige Krise ist auch eine Chance, Theaterformen im Öffentlichen Raum neu zu denken.

Ich wage kein Urteil über das Verhalten einzelner Akteure, nehme nur mit Erstaunen wahr, wie schnell eine Veränderung der äußeren Rahmenbedingungen zu einem Zusammenbruch der so lange existierenden und etablierten Straßentheaterkonzepte geführt hat. Wie kann das zukünftig verhindert werden?

Viele Straßentheaterkonzepte existieren schon seit Jahrzehnten und sind meist nur wenig transformiert worden. Das erschwert jetzt bei vielen Beteiligten ein schnelles Anpassen und Weiterentwickeln ihrer Projekte. Festivals sollten zukünftig wieder mehr als Experimentierfelder verstanden werden. Dies könnte sich als ein wichtiger Schlüssel für die Zukunft erweisen.

Auch mit seinem Theater Anu denkt Stefan Behr über neue Theaterformen im öffentlichen Raum nach.

Auch mit seinem Theater Anu denkt Stefan Behr über neue Theaterformen im öffentlichen Raum nach.

Dazu braucht es aber nicht nur flexible Akteure, sondern vor allem ein aktiveres Zusammenspiel von Künstler*innen und Veranstalter*innen. Die klassische Beschreibung des Verhältnisses: »Wir die Dienstleister – ihr die Auftraggeber« muss sich verändern. In der Krise zeigt sich, dass ein Zusammenwirken aller Beteiligten am ehesten zu Lösungen führt. Die meisten Projekte, die unsere Compagnie in diesem Sommer durchführt, sind in einer engen Zusammenarbeit mit Veranstaltern entstanden – ein Prozess, in dem sich innovative Gemeinschaftsprojekte und eine neue Qualität von Partnerschaften entwickeln konnten.

Die Corona-Pandemie wird zu einem wichtigen Jahr für das Theater im Öffentlichen Raum werden. Das Genre muss zeigen, dass es auch in schwierigen Zeiten für die Menschen da ist. Wenn nicht jetzt, wann dann könnte es seine Bedeutung besser unter Beweis stellen? Es ist nicht zu spät!

Stefan Behr ist künstlerischer Leiter des Theater Anu aus Berlin. Außerdem kuratiert er seit 27 Jahren das Programm des Internationalen Straßentheaterfestivals Gassensensationen in Heppenheim.