Foto-©-Helge-Schneider (Custom)

Ein Sheriff bleibt zuhause

Gestatten: Schneider. Helge Schneider! Auf der Bühne war er schon Gott und auch eine »singende Herrentorte«. Er arbeitet als Komiker, Komponist, Musiker, Entertainer, Buchautor, Drehbuchautor, Schauspieler, Regisseur und Zeichner. Und warum macht Herr Schneider all das? Ganz genau: weil er es kann!

Helge Schneider ist ein Alleskönner.

Helge Schneider ist ein Alleskönner.

Bei einem der aktuellen Weltlage gewidmeten »Corona-Gespräch« mit Alexander Kluge hält Schneider die voluminöse Kristallperle eines Kronleuchters in die Kamera. Angeblich das Virus, so ungefähr sähe es aus. Er hat es, so verrät er, einem Morgenurin entnommen und danach kristallisiert. »Es wird erst schockgefroren und dann erschrocken.« Bei solchen Aussagen könnte man sicherheitshalber noch einmal beim eigenen Arzt oder Apotheker nachfragen oder: Man lacht sich schlapp! »Virologe« Schneider hält sich die Kristallperle vor den geöffneten Mund und durch die geschliffenen Facetten hat das Virus nun Zähne bekommen und sich um ein Vielfaches potenziert. Man fühlt sich an die denkwürdige Gesprächsreihe »News & Stories« erinnert, die Schneider mit Kluge auf Sat1 führte. Dort brillierte Schneider als Experte für alles, mal als verkanntes Model, Suppentherapeut, Großneffe Hitlers oder frauenverschlingender Casanova mit Allongeperücke.

Der gerade noch 64-Jährige, der durch seine charmante Schamanentätigkeit sonst zuverlässig alle bösen Geister mit Humor austreibt, hat sich kürzlich in ungewohnt ernstem Ton an sein Publikum gewandt. In einem Facebook-Video meldete er sich aus seiner Werkstatt und sagte, er sei »ein Auftreter«, aber durch die Corona-Krise sei seine Arbeit für die nächste Zeit in Frage gestellt. »Ich trete nicht auf vor Autos. Ich trete nicht auf vor Menschen, die anderthalb Meter auseinandersitzen müssen und Mund-Nasenschutz tragen«, so Schneider. Er wolle sich auch nicht damit anfreunden, in einem »Streaming-Dingsda-Bumsda« aufzutreten und fügte hinzu: »Beim Streamen fehlt mir ja ein ganz, ganz wichtiger Teil für meine Arbeit und das seid ihr.« Er bedankte sich bei seinen Fans für die Zuwendung, aber auf der Bühne zu stehen, sei für ihn erst möglich, wenn alle Freiheiten wieder da wären, sonst gehe es nicht.

Eigentlich hätte sie jetzt stattfinden sollen, die »Helge Schneider Show 2020« und Wiederkehr des blaugrünen Smaragdkäfers. Gemeinsam mit seiner Band »The Helges« wollte der Multiinstrumentalist und große Improvisator wieder richtig aufdrehen. Von Sehnsucht nach Rente keine Spur. Doch dann durchkreuzte dieses Etwas aus dem Mikrokosmos alle Pläne.

Aufhalten kann es die Erfolgsgeschichte jedoch nicht, die am 30. August 1955 begann, als Schneider in Mühlheim das Licht der Ruhrgebietswelt erblickte. Der kleine Helge wollte Clown werden und verkleidete sich gern als Opa. Mit 17 Jahren verließ er das Elternhaus und dann »kam alles Knall auf Fall.« Er studierte Konzertpiano am Konservatorium in Duisburg, brach das Studium ab und verbrachte seine Zeit mit Gelegenheitsjobs und Menschenbeobachtung in einem Steh-Café, sein »Eduscho-Studium«. Inzwischen hat Schneider einen Stern auf dem Boulevard der Stars in Berlin und was der vielfach ausgezeichnete Künstler und »Klavierspieler des Jahres 2008« auch anpackt, wird bald darauf Welt-Kulterbe.

Die geplante "Helge Schneider Show 2020" kann wegen der Pandemie nicht stattfinden.

Die geplante “Helge Schneider Show 2020” kann wegen der Pandemie nicht stattfinden.

Die damals belauschten Ruhrgebietsoriginale dienten ihm dabei als Blaupause aller späteren Kult-Charaktere. Seither blickt der anarchische Lebensforscher in jeden Winkel menschlicher Existenz und nichts Alltägliches erscheint ihm zu gering, um nicht näher betrachtet zu werden, weder »Katzeklos« noch Käsebrote. Die Folgen sind bekannt: systemrelevante Songs – Hymnen aller Helgerianer. Wen Hegel nicht zur Weisheit führt, sollte es unbedingt mal mit Helge versuchen! Aus seiner Kunst spricht eine große Zärtlichkeit für den Homo sapiens und den Unsinn des Seins, egal ob er Kinofilme macht oder Bücher schreibt wie: »Eiersalat – eine Frau geht seinen Weg«.

Ein waschechter Helge war auch dieser Song: Bei dem von Stefan Raab initiierten Free European Song Contest schoss Schneider mit seinem Beitrag für Deutschland den Vogel ab. Während um ihn herum alternative Normalität simuliert wurde, sang Schneider, was gerade Sache ist. Seine Ode an die Unfreiheit »Forever at home« war gnadenlos komisch. Doch alle würden sich glücklich schätzen, wenn dieses »forever« nur eine kongeniale Übertreibung war und der große Menschenversteher und Sheriff bald wieder in der Stadt ist. Helge forever, sonst »Akopalüze nau«!